
Der Austausch fand dank der finanziellen Unterstützung des DFJW statt.
Einen Austausch zum Thema inklusiver Sport im CFB zu machen, klingt ein wenig verrückt. Für uns ist es ein Sprung ins Ungewisse und ein großes Projekt. Austauschprojekte sind unser Alltag und doch hatte dieser hier verschiedene Herausforderungen. Sind unsere Zimmer geeignet? Wie kann man sich in Berlin bewegen? Können wir uns in großen Gruppen fortbewegen? Welche Aktivitäten sind denkbar und durchführbar? Das sind viele Fragen, auf die wir keine Antworten haben konnten, solange wir es nicht selbst erlebt haben und uns mit dieser Realität konfrontiert. Glücklicherweise waren wir bei der Umsetzung dieser Herausforderung nicht allein. Der Austausch wurde in Partnerschaft mit zwei inklusiven Sportverbänden organisiert: Novosports (https://www.instagram.com/novosports_asso/) auf der französischen Seite und Pfeffersport e.V. (https://www.pfeffersport.de/) auf der deutschen Seite. Die Leiter und Mitglieder dieser Vereine, ob mit oder ohne Beeinträchtigung, unterstützten uns bei der Organisation des Projekts, indem sie uns wertvolle praktische Ratschläge gaben und uns ihre konkreten Bedürfnisse mitteilten.
Am ersten Tag lernten wir unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer kennen, vor allem aber ihren Humor. Auch, wenn das erste, was man sieht, die großen elektrischen Rollstühle sind, was man wirklich bemerkt, ist die gute Laune und der humorvolle Umgang, den die Teilnehmer:innen in jeder Situation an den Tag legen. Dies war der Auslöser für das Projekt, denn die Teilnehmerinnen und Teilnehmer necken sich gegenseitig, aber auch die Begleitpersonen und sogar uns. Wir waren also gut gelaunt und machten uns auf den Weg, um die Stadt zu besichtigen.
Die erste Fahrt verlief sehr gut und die französischen Teilnehmer:innen waren überrascht, wie einfach es ist, in die Berliner U-Bahn einzusteigen. Man muss den Fahrer nur bitten, eine Rampe anzubringen, und in zwei Minuten war die ganze Gruppe unterwegs. Anschließend ging unsere Tour zu Fuß weiter, oder besser gesagt, es wurde gefahren. Dabei fiel uns auf, dass die Bürgersteige perfekt breit waren und mehrere Rollstühle nebeneinander fahren konnten.
Wir liefen also über den Kudamm, vom Zoo bis zum Savignyplatz, machten einen kleinen Schaufensterbummel, blieben aber auch vor einigen Sehenswürdigkeiten stehen. Wir stießen auf keine Hindernisse, alles war zugänglich und selbst die Denkmäler verfügten über Rampen. Anschließend gingen wir in ein Restaurant. Obwohl uns das Personal versichert hatte, dass es barrierefrei sei, stießen wir auf einige Schwierigkeiten, weil die Rollstühle sich nicht bewegen konnten, aber auch, weil die Toiletten nicht angepasst waren.
Dieser erste Tag war für uns eine erste Begegnung mit unseren Teilnehmerinnen und Teilnehmern, aber auch für mich als Freiwillige eine Öffnung gegenüber den Schwierigkeiten des Alltags. Die Höhe der Bordsteine beobachten, die Größe der Fahrstuhlknöpfe, den Abstand zwischen Bahnsteig und Trittbrett, die Breite der Bürgersteige. Es ist nicht alles perfekt, aber Berlin scheint eine ziemlich barrierefreie Stadt zu sein. Der einzige Nachteil ist die Zeit, jede Fahrt wird durch das Warten auf einen Aufzug, das Überqueren einer Straße usw. verzehnfacht.
Am nächsten Tag hatte ich die Gelegenheit, die Gruppe bei einer Rallye durch das Zentrum Berlins im Park Gleisdreieck zu begleiten. Das Wetter spielte nach mehreren Gewittern gut mit und wir waren alle froh, die Grünflächen Berlins zu genießen und gemeinsam die Hauptstadt zu besichtigen. Während der mehrstündigen Spaziergänge unterhielten wir uns ausgiebig. Ich war besonders berührt von der Aufrichtigkeit der Gespräche, und vor allem haben wir viel gelacht. Ich hatte noch nie zuvor Gruppen in Rollstühlen begleitet, und das war für mich sehr interessant. Unser Spaziergang war auch eine Gelegenheit für uns, ihnen Fragen zu stellen, ohne Tabus. Wir diskutierten darüber, wie man sich selbstständig fortbewegen kann, über die Unterschiede zwischen Frankreich und Deutschland und über ihren Alltag.
Eine der prägenden Diskussionen, die ich an diesem Nachmittag hatte, war mit Jérôme, dem Präsidenten des Vereins Novosports. Er fand es sehr wichtig, diese Art von Austausch zu machen, sowohl um neue Menschen und Kulturen kennenzulernen, als auch um sich selbst ein wenig mehr zu entdecken. Seiner Meinung nach sollten Menschen mit eingeschränkter Mobilität eine Autonomie in der Abhängigkeit anstreben. Sie sind zwar von den Assistenten und Begleitern abhängig, aber sie müssen lernen, ihren Körper und ihre Bedürfnisse zu kennen und sie anderen mitzuteilen, damit sie den Assistenten anleiten können, der ohne Anweisungen nichts richtig machen kann. Diese Art des Austauschs war für einige Teilnehmende ein wünschenswertes Verlassen ihrer Komfortzone, so Jérôme, der betont, dass eine Behinderung oft einen übermäßigen Schutz mit sich bringt. Wenn man selbst nach Berlin reist und sich mit den Realitäten eines Gruppenrhythmus und einer anderen Infrastruktur der Stadt konfrontiert, führt dies zu einem Gewinn an Autonomie in der Abhängigkeit, der später nur von Vorteil sein kann.
Während des Austauschs haben mir die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch viel über ihre gemeinsame Leidenschaft erzählt: den Sport. Dabei handelt es sich um inklusiven Sport, bei dem Rollstuhlfahrer*innen und Menschen ohne Einschränkungen gemeinsam auf einem Feld spielen. All das haben sie uns während der Fête de la Musique gezeigt. Es war wahnsinnig zu sehen, mit welcher Kreativität die verschiedenen Sportarten neu interpretiert werden, um sie inklusiv zu gestalten.
Insgesamt glaube ich, dass dieser Austausch der bereicherndste war, an dem ich je teilgenommen habe. Ich habe in dieser Woche sehr viel gelernt, vor allem durch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Während des gesamten Treffens haben sie ihre wertvollen Erfahrungen mit uns geteilt und mich für ein Thema sensibilisiert, das ich zu Unrecht kaum kannte. Nach diesem Austausch bin ich mir der Barrieren im Alltag viel bewusster geworden und bin überzeugt, dass wir unsere Welt und unsere Ansichten viel inklusiver gestalten müssen, als sie es sind.