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Austauschprojekte

Habe ich da… Planspiel gehört?

By 28 Mai 2024No Comments

Habe ich da… Planspiel gehört?

Stellen Sie sich vor: Sie sind Lehrer*in und möchten Ihr Interesse an Sprachen und Kultur mit Ihren Schüler*innen teilen und sie ein neues Land entdecken lassen. Sie sehen jedoch wenig Sinn in einer rein touristischen Reise und sind der Meinung, dass es viel authentischer ist, über eine Begegnung eine Kultur zu entdecken und eine Sprache zu sprechen. Dann sollten Ihre Schüler*innen unbedingt an einem deutsch-französischen Austausch teilnehmen!

Sie wissen, wie komplex es ist, eine solche Reise zu organisieren. Die Teilnahme von Jugendlichen unabhängig von ihrem sozialen Hintergrund und dem Einkommen ihrer Eltern zu ermöglichen, die logistischen Herausforderungen, die Verhandlungen mit der Schulleitung und den anderen Lehrer*innen, um die Schüler*innen freizustellen, und die Zeit, die Sie dafür aufwenden müssen… Aber Sie geben nicht auf.

Durch Ihre Teilnahme am jährlichen Treffen des Netzwerks Diversität und Partizipation lernen Sie eine in der internationalen Jugendarbeit aktive Organisation kennen (das Centre Français de Berlin – CFB), die Ihnen nicht nur bei der Suche nach einem Partner im anderen Land und bei der Finanzierung helfen, sondern auch bei der Organisation und Durchführung der Begegnung unterstützen kann! Das CFB bietet Ihnen auch ein besonderes Konzept an: das Planspiel. In der aktuellen politischen Situation steht die Beteiligung junger Menschen an der Zivilgesellschaft im Mittelpunkt der Debatten und Projekte. Wie kann man diese Beteiligung fördern und zugänglicher machen? Eine Idee wäre zum Beispiel, die politischen Entscheidungsprozesse verständlicher zu machen. Es stimmt, dass Jugendliche oft sagen „ach, Politik, ich verstehe nichts!“, zwangsläufig hilft ihnen das nicht dabei, sich angesprochen zu fühlen… Wir schlagen Ihnen daher vor, ein Planspiel des deutsch-französischen Ministerrats in das Austauschprojekt zu integrieren.

Und zwar: Das Deutsch-Französische Jugendwerk finanziert in Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) im Rahmen des Projektaufrufs „Demokratie: Jetzt! Junge Stimmen für die Zukunft“ Begegnungen, die die politische Bildung thematisieren.

Aber was ist denn das „Planspiel“? Es handelt sich um eine Simulationsmethode, bei der die Teilnehmenden in die Rolle von Minister*innen schlüpfen und eine Ministerratssitzung anhand eines Skripts erleben. Durch die Erfahrung und das Rollenspiel können die Teilnehmenden besser verstehen, wie politische Entscheidungen funktionieren und was dabei auf dem Spiel steht. Und natürlich Spaß dabei haben!

Das CFB schlägt Ihnen eine Zusammenarbeit mit Peuple et Culture und der Pariser Schule Lycée Buffon vor. Die Modalitäten der Zusammenarbeit sind geklärt und das große Abenteuer des interkulturellen deutsch-französischen Jugendaustauschs kann beginnen!

Erster Schritt: Sie treffen sich mit den Organisator*innen, Teamer*innen und Lehrer*innen, die am Projekt teilnehmen werden, lernen sich kennen (und gute Nachricht, Sie verstehen sich ziemlich gut!). Um die Reise vorzubereiten, tauschen Sie sich über Ihre Schüler*innen, ihre Geschichten und Wünsche aus, einigen sich auf Datum und Ort, legen Ziele fest und erstellen ein maßgeschneidertes Programm für Ihre Gruppe, wobei Sie das Planspiel in die Begegnung einbeziehen. Denn ja, das Planspiel ist nur ein Teil der Begegnung. Auf dem Programm stehen außerdem: Kennenlernen der Stadt, der Schule der Teilnehmenden, Sprachanimation, Wissensbörse, bei der man sein Wissen und seine Talente mit anderen teilen kann, Sprachenlernen mit der Tandem-Methode, und natürlich kommt ein bisschen Freizeit auch immer gut an ;).

Schritt 2: Heute ist der Tag X! Der erste Tag der Austauschsprojekts… Los geht’s: Ihr trefft euch am Bahnhof, die Zugfahrt beginnt!

Aber vorher : Perspektivwechsel…

Stell dir vor: Du bist ein*e Schüler*in. Dein*e Lehrer*in schlägt eine Reise nach Frankreich vor, auf der du eine Kultur entdecken, eine Sprache üben und andere Menschen kennenlernen kannst. Du hörst Worte wie „interkultureller Austausch“ und „Planspiel“, dein*e Lehrer*in spricht über Zivilgesellschaft, Politik usw. Ähhh… PlanWAS? ZivilWIE? In der Klasse wirfst du einen Blick nach links, einen Blick nach rechts, Augenkontakt mit deinen Mitschüler*innen und die Entscheidung ist gefallen: Natürlich gehst du hin, du würdest eine Reise mit deinen Freunden um nichts in der Welt verpassen! Außerdem warst du noch nie in Frankreich, warum also nicht?

Und dann ist der Tag X:  Ihr trefft euch am Bahnhof und die Zugfahrt beginnt!

Als man dir sagte, dass die Reise neun Stunden dauern würde, warst du nicht gerade begeistert… Aber am Ziel angekommen, war es dann doch nicht so schlimm, es ging sogar fast schnell vorbei. Ihr kommt in der Unterkunft an und die Schüler*innen aus Frankreich sind schon da und warten auf euch: All diese Gesichter zu sehen, die dich anstarren, ist ein bisschen beeindruckend, aber du hast schon Bock, sie kennenzulernen.

Du beziehst dein Zimmer, gehst zum Abendessen und triffst dich dann mit der Gruppe in einem Seminarraum, in dem Stühle im Kreis aufgestellt sind. Jetzt beginnen die Feierlichkeiten: Euch wird das Team vorgestellt, das euch auf der ganzen Reise begleiten wird, und ihr lernt euch einander kennen. Ihr beginnt zuerst damit, die Vornamen der anderen zu lernen, und nach und nach erfahrt ihr noch viel mehr.

Die Woche verläuft im Rhythmus der Aktivitäten, und jeden Tag lernst du die anderen ein bisschen besser kennen, jeden Tag baut sich mehr Vertrauen auf, du traust dich immer mehr zu sprechen, bist neugierig auf das Leben der anderen Personen in der Gruppe. Ihr teilt eure Interessen, wundert euch über dieses oder jenes, bemerkt die Unterschiede, aber auch die Ähnlichkeiten, der Humor kommt dazu, die ersten Witze, die ersten Verrücktheiten sprudeln… Du liebst es auch, die Stadt zu entdecken! Dein Lieblingsmoment ist, wenn ihr draußen esst und die Schüler*innen aus Frankreich euch ihre Lieblingsorte zeigen. Du verbringst eine tolle Zeit, am Ende vermisst man das Zuhause nicht allzu sehr, hier passiert so viel! Jeder Tag ist ein neues Abenteuer.

Und dann kommt der Moment, in dem die Teamer*innen euch das sogennante „Planspiel“ vorstellt. „Äh, was, Planspiel?“ Ach ja, richtig, dein*e Lehrer*in hatte davon gesprochen … und du hast es auch bei der Vorstellung des Programms am Anfang der Woche gehört. Es wird euch erklärt, was ein Planspiel ist, warum ihr es machen werdet und wie es ablaufen wird…

Ihr werdet also in die Rolle von Minister*innen oder Präsident*innen schlüpfen und euer gemeinsames Ziel ist es, Vereinbarungen (nicht reale, aber realistische) über Gesetze zu aktuellen Themen wie Einwanderung, Energie und Jugendbeschäftigung zu treffen. Deutschland und Frankreich sind politische Partner, die eine enge Beziehung aufgebaut haben, und es ist ihnen wichtig, gemeinsame politische Vereinbarungen zu treffen, die ihre Gesellschaften unterstützen und stärken und Brücken zwischen ihren Zivilgesellschaften bauen.

Du denkst, dass du dich weder im Theater noch in der Politik auskennst und dass es für dich keine Freude sein wird…

Dann werden die Rollen verteilt und der/die Präsident*in gewählt! Glücklicherweise ist Zeit eingeplant, um deine Rolle vorzubereiten und einen neuen Namen für deine Figur zu finden, das Skript zu verstehen und alle Fragen zu stellen, die du brauchst, damit du dich beim Planspiel am nächsten Tag so wohl wie möglich fühlst. Dir wird auch erklärt, dass du dir keine Sorgen machen musst, dass viele Dinge erst in dem Moment konkreter werden, in dem du sie erlebst, und dass das Team in jedem Fall für dich da sein wird, um dir zu helfen und dich zu begleiten 🙂

Am nächsten Tag stehst du mit deinen Mitschüler*innen vor dem Rathaus des Bezirkes, einem ziemlich hübschen Gebäude mit einem großen Platz davor. Du bist ein bisschen nervös und betrittst einen Saal, in dem du sehr ernst von kreisförmig angeordneten Tischen und den Flaggen Frankreichs, Deutschlands und der Europäischen Union begrüßt wirst. Der Saal ist so schon ziemlich nobel, muss man sagen, und das ist für uns? Du hast nicht damit gerechnet und bist ziemlich positiv überrascht.

Du wirst gebeten, dich an den Tisch der deutsch-französischen Minister*innen, einschließlich Präsident*in und Kanzler,*in zu setzen. Auch die Moderator*innen und Konferenzdolmetscher*innen (die gestern noch deine Teamer*innen und Lehrer*innen waren) haben eine neue Persönlichkeit. Von nun an schlüpfst du vollständig in deine Rolle.

Die Sitzung wird eröffnet und jede*r stellt sich vor. Die Ziele des heutigen Treffens werden bekannt gegeben und die Verhandlungen können beginnen. Du triffst dich mit deinen nationalen Kolleg*innen, verstehst, was auf dem Spiel steht, und ihr entscheidet euch für eine Strategie. Dann triffst du dich mit deinen deutschen Kolleg*innen in thematischen Ausschüssen und ihr diskutiert und verhandelt (mit Hilfe eurer Konferenzdolmetscher*innen und aller am Vortag erhaltenen Unterlagen!), um eine Einigung über ein bestimmtes Gesetz zu erzielen. Eure Verhandlungen entscheiden über die Zukunft dieses Gesetzes: Bleibt es gleich, wird es geändert, in welchem Umfang?

Der Tag ist geprägt von Sitzungen in nationalen Gruppen und binationalen Ausschüssen, von Diskussionen und Verhandlungen… Natürlich gibt es auch Pausen, in denen ihr euch informell mit den anderen Minister*innen unterhalten könnt, und vor allem das Mittagessen, um wieder zu Kräften zu kommen. Der Tag ist intensiv, die Diskussionen sind einfach, dann rau, werden interessant, entspannen sich…

Beim Planspiel kann man das Ende der Geschichte nie im Voraus erfahren. Manchmal finden die Minister*innen eine Einigung, manchmal nicht… Die Uhr entscheidet es.
Es ist 17 Uhr und die Minister*innen, der/die Präsident*in und der/die Kanzler*in werden erneut und zum letzten Mal an diesem Tag an den großen Sitzungstisch gebeten. Die Ergebnisse werden präsentiert, man dankt sich gegenseitig für die geleistete Arbeit, für die Aufmerksamkeit und den Ernst, mit der diese entscheidenden gesellschaftlichen Themen behandelt wurden. Die Sitzung endet mit einem Gruppenfoto und Applaus.

Du nimmst dein Namensschild ab, kommst aus deiner Rolle raus und kehrst in die Realität zurück. Was für ein Tag! Letztendlich hat es dir mehr und mehr gefallen zu diskutieren, deine Interessen zu vertreten, die der anderen zu verstehen, zu verhandeln… Aber du musst zugeben, dass du jetzt ziemlich erschöpft bist. All diese Diskussionen, Überlegungen und Verantwortungen sind sehr intensiv! Am Ende des Tages sagst du dir schließlich, dass du dir das Leben eines Ministers überhaupt nicht so vorgestellt hast.

Du genießt einen wohlverdienten freien Abend. Am nächsten Tag, nachdem du die Nacht darüber geschlafen hast, reflektiert ihr in der Gruppe über eure Erfahrungen. Obwohl es noch viel zu entdecken gibt, hast du das Gefühl, einen Schritt weiter gekommen zu sein, was das Verständnis des politischen Systems und der Entscheidungsprozesse angeht. Und du hast überhaupt nicht damit gerechnet, dass du am Ende dieser Reise eine solche Erfahrung machen würdest.

Und genau dieser Moment ist gekommen… Die Reise geht zu Ende und nachdem du das Ende dieser schönen Woche ordentlich gefeiert hast, verabschiedest du dich von den Gesichtern, die nicht mehr so anonym sind wie bei deiner Ankunft, zu denen du eine Beziehung aufgebaut hast und denen du versprichst, auch nach deiner Rückkehr in Kontakt zu bleiben. Du sitzt müde, aber glücklich im Zug auf dem Weg nach Hause und denkst schon daran, was du zu Hause erzählen wirst, an all die unerwarteten Abenteuer, an all die Entdeckungen, die du gemacht hast, über andere und über dich selbst, an all das, was du gelernt hast… Und du schläfst ein, schön eingeschaukelt vom Zug, der nach wie vor ganze 9 Stunden braucht 😉

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